Emil

Emil hat ein Nachtlokal, wo die männer frauen sind
es heisst „zur himmelblauen Brücke“
Emil schminkt die Lippen rot, die Augen hungrig violett
sein Haar verdeckt die blonde Perücke
und Emil nennt sich Emaille
und seine Liebe ist süss
er trägt die Traurigkeit des Andersseins wie ein Kollier

sein Freund, der Karl hiess, und den sie Carla nennen
kam eines Abends nicht mehr
einige, die ihn kannten, sagten sie hätten ihn geseh’n
mit einer richtigen Frau
und Emil trauert um Carla
und seine Tränen sind heiss
er trägt den Schmerz vor sich her wie ein Herz aus Papier

heute Abend bleibt die Bar geschlossen
in der Wohnung darüber ist die Polizei
im warmen Wasser trägt Emil seinen Schlaf
durch einen blutig-roten Sonnenuntergang
was wisst denn ihr von Liebe?!
was glaubt ihr schon zu versteh’n?!
Emil trägt die Einsamkeit des Andersseins in seinen Tod

meine Seele hat so viele blaue Flecken
heute Abend werde ich sie euch entdecken
ich enthülle mich dann euren kühlen Blicken
unter meiner Maske muss ich sonst ersticken
es ist besser, eine Blösse sich zu geben
als in tausenden Verkleidungen zu leben
und ich nehme gerne eure Schmähung hin
aber lasst mich bitte sein, so wie ich bin

Carla ist zurückgekehrt und führt nun Emils Nachtlokal
mit Pietät und viel Gefühl
Emils Bild hängt an der Wand, schwarz gerahmt und Carla sagt
jedem, der es hören will:
was wisst denn ihr von der Liebe?!
was glaubt denn ihr schon zu versteh’n?!
Emil trägt die Einsamkeit des Andersseins in seinen Tod